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Eine himmlische Reise

von DAVID V. APPLEYARD

Es war ein Tag wie kein anderer. Man konnte zum ersten Mal ganz sicher sein, dass der Frühling für dieses Jahr zuletzt angekommen war. Schade, dass ich gerade an diesem wunderschönen Morgen zur anderen Seite der Welt, in den Herbst, nach Australien fliegen sollte!

Dort stand schon das riesengroße viermotorige Flugzeug, sein silberner Körper glänzend im Licht der aufgehenden Sonne. Würde diese Maschine dem Gravitationsgesetz wirklich trotzen können, um mich zu meinem fernen Reiseziel zu bringen? Ich konnte es nicht unterlassen, ein bisschen daran zu zweifeln. Aber dann erblickte ich den Namen der Fluggesellschaft und spürte ein warmes und tröstendes Gefühl im ganzen Rückgrat. Air Vaticana war in hellroten Buchstaben über den Fenstern zu lesen — Fenster die mir allerdings ein bisschen zu klein schienen, um nützlich zu sein.

„Spielt gar keine Rolle, wie sie aussehen, wenn man nur aussehen kann“, bemerkte eine dicke Dame mit einer schwarzen Brille, die eine halbe Stunde später neben mir auf der Einsteigetreppe stand. Dabei wurde herzlich gelacht.

Nach einigen Minuten waren wir alle an Bord des Jumbojets in unseren engen Lehnstühlen festgegurtet. Da dies eine tief religiöse Fluggesellschaft war, arbeiteten im Cockpit drei Priester mit einer biblischen Kontrollliste, so dass man nach jedem Punkt ein „Amen“ hörte. Beim Abflug betete das ganze Kabinenpersonal zu Gott. Die Stewardessen, die hauptsächlich aus Nonnen bestanden, sorgten dafür, dass alle Fluggäste eine Bibel und ein Schnellkurs in Latein zur Verfügung hatten.

Viel früher als wir uns es vorgestellt hatten, befanden wir uns weit oben am Himmel. Wir erlebten sogar eine milde Turbulenz. Die Nonnen hatten gerade begonnen, Wein und Brot zu verteilen, und die Stimme der Kapitän erinnerte uns über den Lautsprecher an die zur Zeit besondere Nähe unseres Schöpfers.

Ich war beinahe von Rührung überwältigt, als ein aufgeregter Schrei von irgendwo in den vordersten Reihen durch die ganze Kabine widerhallte: „ Mein Gott, nein, nein, nein! Ein Hijacker!“ Es war die dicke Dame mit der schwarzen Brille, die nun aufgeflogen war und im ganzen Körper wie ein Gelee zitterte.

Als die anderen Passagiere den Ernst der Situation erfassten, schwiegen sie alle blitzschnell. Dort vor ihren Augen stand einer der Priester mit einer kleinen silbernen Pistole in der rechten Hand. Unsere riesige Maschine fiel plötzlich etwa 200 Meter bei erneuter Turbulenz.

Ich war nervös geworden.

„Wenn Sie alle ganz schön ruhig sitzen bleiben und keine Dummheiten machen, wird Ihnen auch nichts passieren“, sicherte er uns zu.

Ich wurde noch nervöser. „Darf ich rauchen?“ fragte ich mit bebender Stimme. Ich bekam von dem unberechenbaren Kerl keine spontane Antwort. Statt etwas zu äußern, trat er mir langsam und bedachtsam entgegen. Als er schließlich an meiner Seite stand, fühlte ich mich von seinem Blick durchbohrt.

„Wie bitte, mein Herr?”

„Eine Zigarette — d-d-d-darf ich eine Zigarette rauchen?“ Die Spannung war fast unerträglich. Mit zitternden Händen steckte ich mir meine allerletzte Zigarette zwischen die Lippen.

Ohne zu zwinkern hob er die Pistole hoch, hielt sie gerade vor meinem Gesicht — und eine hübsche blaue Flamme erschien in der Lauföffnung.